Niko Paech Befreiung vom Überfluss – Auf dem Weg in die Postwachstumsökonomie

Am 22. September 2014 nahm eine Vielzahl an Schülern und Schülerinnen der Handelsakademie Bregenz an einem Vortrag zum Thema „Konsumverhalten und Verschwendungssucht“ in Höchst teil. Der deutsche Volkswirt Niko Paech erläuterte darin, dass die heutige Gesellschaft nicht etwa, wie häufig angenommen, auf bestimmte Konsumgüter komplett verzichten müsse, sondern dass stattdessen keine Reizüberflutung mehr stattfinden sollte. Mit diesem Thema setzte er sich unter anderem in seinem Buch „Befreiung von Überfluss“ auseinander. Wichtig ist, dass eine individuelle Freiheit vorhanden ist, jedoch ist gleichzeitig die Verantwortung eines jeden einzelnen zu beachten. Im Moment besteht eine Einigung der meisten Weltstaaten auf max. 2 % CO2-Erhöhung zum Schutz des Klimas. Hier stellt sich nun die Frage, wie viel man konsumieren darf, um als Individuum nicht über seine Verhältnisse zu leben? Die Nachhaltigkeit ist nämlich eine Frage individueller Verantwortung. Es herrscht erst dann Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit, wenn die reichen Länder ihren Co2-Gehalt verringern und die armen Länder ihren Co2-Gehalt erhöhen. Paradox ist jedoch, wenn man extra immer sorgfältig den Müll trennt, was kaum etwas ausmacht, und auf der anderen Seite jährlich Flugreisen unternimmt. Beispiel: Ein Flug von Frankfurt nach New York erzeugt 4,25 Tonnen an Co2. Niko Paech äußerte sich folgendermaßen dazu: „Symbole sind unnütz, nur Taten helfen.“ Momentan erzeugt eine Person pro Jahr 11,2 Tonnen CO2. Ziel ist es, diesen Wert auf 2,7 Tonnen CO2 zu verringern. Ein möglicher Weg wäre also, Technologie so gut wie möglich zu entfernen anstatt sie hinzuzufügen.

Es gibt keine nachhaltige Technologie! Niko Paech: „Nachhaltigkeit nach unseren Standards ist keine Nachhaltigkeit.“ Die Rücknahme des globalen Lebensstils und der hohen Ansprüche ist die Lösung. Eine Kulturwende ist absehbar, der Rückgang von Wachstum ist die Folge. Unser derzeitiger Lebensstil lautet „More & More“, wohingegen aber nur eine soziale, kulturelle und wirtschaftliche Reduktion zum Ziel führt, sicher jedoch nicht der vollständige Verzicht. Das Problem liegt sowohl in der Reizüberflutung als auch in der Konsumverstopfung. Paech hat für dies eine Formel aufgestellt, welche lautet: Ökologische Grenzen + globale Gerechtigkeit = Nachhaltigkeit.
Psychische Wachstumsgrenzen sind ein weitverbreitetes Problem. Je höher der Wohlstand, desto mehr Depressionsfälle gibt es. In unserer Gesellschaft besteht ein Verteilungsproblem, welches zu unglücklicheren Menschen mit Burnout-Überlastungen, Reizüberflutungen, etc. führt. Der Staat verspricht den Verlierern der Verteilungskette Wohlstand, Reichtum und Arbeit. Doch dies entspricht nicht der Wahrheit. Tatsache ist, der Preis, den die Entwicklungsländer für das wirtschaftliche Wachstum zahlen müssen, besteht darin, dass sie es sind, welche schlussendlich darunter zu leiden haben, da dort zu wenig Ressourcen vorhanden sind, und jene, die verfügbar sind, von anderen Ländern gestohlen werden. Laut Paech gilt – Je größer der BIP, desto größer die Schere zwischen reich und arm. Es gibt bereits viele Ressourcenkrisen, von denen wir nichts wissen, wie es beispielsweise bei Metallen der Fall ist. Es findet eine Ausbeutung der Erde statt, um die Konflikte auf die Ausbeutung zu verlagern, das „Pick-everything-Phänomen“. Dieses Phänomen erklärte der seit 2010 bei der Universität Oldenburg beschäftigte Gastprofessor anhand eines Kartenhauses. Seiner Meinung nach nämlich herrscht ein immer schnellerer und höherer Ressourcenverbrauch, was gleichzeitig zu einem höheren Kartenhaus führt. Beim Wegfall einer einzigen „Karte“ – wie zum Beispiel Erdöl – bricht das ganze Gerüst zusammen. Je höher die Fallhöhe, desto größer der Schaden. Deshalb muss die Ausbeutung zurückgeschraubt werden, um die Fallhöhe zu reduzieren. Allerdings sollte man auch darauf achten, die Ansprüche vorsichtig zu reduzieren, was, im Falle eines Erfolges, schlussendlich zur perfekten Unabhängigkeit führt. Wichtig ist nämlich der Schutz vor allzu großer Abhängigkeit und die selbstständige Bestimmung der eigenen Freiheit. Kann man ohne Geld und ohne Industrie leben? Ja, aber nur bedingt. Es besteht durchaus ein durchdachtes Konzept, die Postwachstumsökonomik. Konsumobjekte sind Instrumente zum „Glücklichmachen“ oder „Dienen“. Wenn ein großes Angebot herrscht, mündet dies automatisch in Konsumzwang. Es müsste demnach einen Wandel der Nachfrageseite geben, der mit der Suffizienz, also der Befreiung von Ballast, erreicht werden kann. Der Wandel der Angebotsseite wiederrum soll laut dem renommierten Ökonomen mit der Subsistenz erfolgen, das heißt, mit der Selbstversorgung unserer Gesellschaft. Aber auch die Resilienz, mit anderen Worten, eine sichere Versorgung im Fall einer Krise, soll ermöglicht werden.
Zeit ist ein wesentliches Problem. Genuss, Konsum, alles braucht Zeit. Sie ist nicht vermehrbar. Der Wohlstand aber nimmt zu, wenn man die Zeit auf mehrere Objekte aufteilt. Man sollte sich demnach auf das Wesentliche beschränken, denn alles benötigt Aufmerksamkeit und Zeit für guten Genuss. In der heutigen Zeit ist es so, dass zwar zu viel Konsum zum Genießen vorhanden ist, aber dafür zu wenig Zeit existiert. Es braucht die ökonomische Rationalität des Menschen, sich selbst zu begrenzen. Niko Paech erkannte sofort: Mit weniger Arbeit und weniger Konsum herrscht eine genussvollere Daseinsform. Jeder sollte mehr eigene Zeit haben und weniger arbeiten. Anstatt 40 Stunden nur noch 20 zu arbeiten und die restlichen 20, also die übrige Zeit, zur freien Nutzung als „Ressource“  zu verwenden, wäre demzufolge der erste Schritt zu einem glücklicheren Leben.

Unsere Kritik dazu:
Ein kleiner BIP heißt nicht automatisch, dass eine gerechtere Vermögensverteilung besteht (Bsp: Brasilien). Laut Paech aber bedeutet ein größerer BIP eine größere Schere zwischen arm und reich. Außerdem ist sein Konzept unserer Ansicht nach kaum umsetzbar, da infolgedessen viele Unternehmen Pleite gehen würden - unter anderem auch weil dann keine geplante Obsoleszenz mehr möglich wäre. Nicht zu vergessen natürlich, dass es zu Beginn auch weniger Arbeitsplätze geben würde. Zudem ist die Gier  für die meisten ein weiteres Hindernis, da das Teilen von bestimmten Dingen in unserer Welt undenkbar ist. Alles in allem wird dies also nur umsetzbar sein, wenn es hierfür einen bestimmten Auslöser wie etwa eine Naturkatastrophe oder einen Ressourcenausgang geben wird, vorher wird es mit großer Wahrscheinlichkeit zu keinem Umdenken in der Gesellschaft kommen.

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